Sommerbild 6

Selten haben wir so früh im Jahr Klaräpfel geerntet. Jeden Tag poltern sie in Scharen auf die Erde und wollen sofort aufgehoben und weggetragen werden. Weich und wächsern liegen sie in der Hand, wie frisch poliert. Für kurze Zeit zeigen sie ein vitales, aber verhaltenes Grün. Lässt man sie aber mehr als nur einen Tag liegen, trocknen sie allmählich aus, nehmen ein ungesundes Gelbgrün an und schmecken wie mehliger Puder.

Gesunde Klaräpfel sind die Apfelvorspeisen des Herbstes, unauffällige und ehrliche Kolonien, die wir (durchgeschnitten, in zwei Hälften) Abend für Abend in den Ofen wandern lassen, mit Nüssen, etwas Honig und Vanille gefüllt. Im Ofen entfalten sie einen Frühherbstgeschmack und zeigen ihr ganzes Talent, uns zu begeistern (‚Was? So gut können die schmecken?!‘).

In ihrer Nachbarschaft sind die anderen Apfelsorten dabei, Farbe anzunehmen und erste Herbstsignale aufzutragen. Um solche Farben schon im Voraus in all ihrer Pracht zu studieren, fahren wir in diesen Tagen zu einer wunderbaren Ausstellung im Museum Würth (74653 Künzelsau). Dort nämlich werden die Aquarelle Äpfel und Birnen des Theologen, Pomologen und Künstlers Korbinian Aigner gezeigt.

Aigner (1885-1966) hat ein Leben lang Hunderte von einzelnen Äpfeln und Birnen aquarelliert – und das selbst noch in der Zeit, als er ein politischer Häftling und in den Konzentrationslagern von Sachsenhausen und Dachau inhaftiert war. Er hatte genau das detailgetreue Auge, wie wir es an Künstlern und Schriftstellern so schätzen: Präzise und beinahe andächtig gegenüber den kleinsten Emphasen, das Große im scheinbar Geringen suchend, ohne Pathos und Wichtigtuerei: „hingebungsvoll“.

(Zur Vorbereitung auf die Ausstellung kann man einen Prachtband durchblättern – Korbinian Aigner: Äpfel und Birnen. Das Gesamtwerk. Hrsg. von Judith Schalansky. Matthes & Seitz 2013)