Intermezzo 6 – Am Tag, als der Regen kam

Gestern war es soweit. Zum ersten Mal seit unendlich vielen Tagen regnete es. Eindeutig, ja, es waren Regentropfen, die da noch vorsichtig fielen. Brauchten wir einen – na, wie hieß er doch gleich? – einen Dingens, äh, einen Regenschirm …? Nein, natürlich nicht, nassgeregnet zu werden, war der reine Genuss, daher tauchten wir in lauter Schauern ab und hielten fest: das war der Tag, als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht …

Langersehnt, heißerfleht? Von wem war dieser Text? Wir waren sicher, dass wir ihn kannten und schon oft gehört hatten, erinnerten uns aber nicht mehr genau. Also ließen wir uns von einer Suchmaschine helfen und gerieten rasch auf die richtige Fährte: „Am Tag, als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht/Auf die glühenden Felder, auf die durstigen Wälder/Am Tag, als der Regen kam, langersehnt, heißerfleht/Da erblühten die Träume, da erwachten die Träume …“ Den Song hatte in den späten fünfziger Jahren die Sängerin Dalida mit großem Erfolg (monatelang in  der deutschen Hitparade) gesungen. Dalida, richtig, die hatten wir längst vergessen. War sie nicht in Ägypten geboren und später nach Paris gegangen, um dort eine Schauspielkarriere zu beginnen?

Wir kontaktierten erneut eine Suchmaschine und lasen von ihren großen Erfolgen, nicht als Schauspielerin, sondern als Sängerin. 1964 hatte sie angeblich zehn Millionen Schallplatten verkauft. Paroles, paroles … – stimmt, auch an diesen Song aus den frühen siebziger Jahren (zusammen mit Alain Delon gesungen) erinnerten wir uns gut. Schließlich lasen wir auch von Dalidas dunkler, privater Geschichte. Zwei ihrer Lebensgefährten nahmen sich das Leben, und auch sie selbst starb 1987 in Paris durch die Einnahme einer Überdosis von Schlafmitteln. Der Abschiedsbrief der damals 54-jährigen soll aus nur einem einzigen Satz bestanden haben: „Das Leben ist mir unerträglich geworden – vergebt mir.“

Gestern regnete es fast den ganzen Tag, mal heftig, mal unentschlossen. Wir dachten an Dalida und hörten viele ihrer Songs, und wir wussten, niemand hatte, was an diesem Tag geschah, besser und schöner besungen.