Ein Stern am Pianistenhimmel

Traf in der Musikhochschule auf Peter M., der sein  Konzertexamen vorbereitet. Er sprach enthusiastisch über einen jungen, gerade mal zweiundzwanzigjährigen Pianisten (Jan Lisiecki), von dem er „ganz fantastische Chopin-Aufnahmen“ gehört habe. Lisiecki sei eindeutig ein neuer „Stern am Pianistenhimmel“. Ich notierte mir den Namen, wir verabschiedeten uns, und ich recherchierte auf dem Weg zum Bahnhof die Stücke, die der „neue Stern“ bisher eingespielt hat. Chopins Etüden op. 10 und op. 25, beide Zyklen! Und beide für die Deutsche Grammophon! Und danach weiter Chopin: Werke für Klavier und Orchester – aber eben nicht die Klavierkonzerte, sondern eher die selten gespielten Sachen! Zwei starke Signale: Die sauschweren Etüden und die eher unbekannten Orchester-Stücke! Im Bahnhof traf ich Laura F. (ebenfalls eine junge Pianistin) und erzählte ihr gleich von Lisiecki. Sie kannte nicht nur den Namen, sondern hatte ihn am letzten Wochenende sogar selbst in Düsseldorf gehört. Unglaublich, phänomenal! Ich wollte in die S-Bahn steigen, tat das dann aber doch nicht, sondern setzte mich in ein Café und hörte über Kopfhörer Lisiecki, wie er Chopins Etüden zelebrierte. Schon die erste in C-Dur (op.10) habe ich noch nie so gehört: geatmet, nicht zu schnell, den Bass nicht schwer, sondern stimmführend! Eine richtige Entdeckung war danach die nur etwas über zwei Minuten lange Introduktion zum Rondo Á La Krakowiak (op. 14). Lisiecki macht bei der Einspielung der Orchesterstücke Chopins das einzig Richtige: Das Klavier führt das Orchester, nicht umgekehrt (je weniger „Orchester“, um so besser, je zurückhaltender, um so feiner, elastischer etc.)! In der S-Bahn recherchierte ich weiter: Wo trat Lisiecki als nächstes auf? In welchen Städten und Konzertsälen? Ich hatte es schnell heraus. Sollte ich sofort buchen, sofort?! Ja, natürlich, so war es doch früher, in meinen Jugendtagen immer gewesen: Wir junge Pianisten entdeckten einen „Stern am Pianistenhimmel“ – und dann gab es nur noch eins: Hören, hören, hören! Sämtliche Einspielungen – und natürlich auch live! Sofort, ohne Umwege! Also los, sagte ich mir, bleib Deiner Jugend weiter treu!