Die Fußball-WM 2018 ist gestern mit dem 4:2-Sieg Frankreichs gegen Kroatien zu Ende gegangen. Im Alltagsleben von Fußballfreunden hinterlässt ein solches Turnier mit seiner Dauer von mehr als vier Wochen deutliche Spuren. Wir verfolgen nicht nur so viele Spiele wie möglich, sondern tauschen uns auch täglich mit besten Freunden über das Gesehene und Erlebte aus. Dabei geht es natürlich nicht nur um Fußball, einzelne Spieler, Trainer und Mannschaften, sondern auch um das Leben an sich.
Niemals sonst stehen wir in einem solchen Dauerkontakt, mailen in der Früh die Eindrücke von der Nacht, lesen am Morgen die frischen Kommentare der Medien, stimmen unsere Mahlzeiten am Mittag auf den Spielplan ab (wenn Frankreich spielt, ist auch Frankreich in unseren Gläsern etc.) und widmen uns nach einem kurzen Lockerungstraining am frühen Nachmittag schließlich den Spielen selbst. Alles, aber auch alles ist von Bedeutung, nichts entgeht unseren Augen: Nicht das schlecht sitzende Trikot des spanischen Torhüters, nicht die unvorteilhafte Frisur eines Schiedsrichters, nicht die taktische Aufstellung von Japan, die wir uns ganz anders gewünscht hätten.
Eine kleine kompakte Auszeit unseres Lebens verbringen wir wie in einem Camp und von Tag zu Tag mehr in Trance. Auf dem Cover unserer Bibel ist zu sehen, wohin das führt. Denn Karl Ove Knausgård und Fredrik Ekelund haben uns vorgemacht, wie man sich durch eine Fußball-WM peitscht. 2014 haben sie die Spiele beobachtet und einander ununterbrochen geschrieben, und es ist einer der schönsten Dialogkommentare der Zuschauergeschichte daraus geworden (Karl Ove Knausgård/Fredrik Ekelund: Kein Heimspiel. Aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenborg. btb 2018).
Auf dem Cover sieht man Knausgård am Ende: Rauchend in seiner zugemüllten Schriftstellerhöhle, die nackten Füße auf dem Tisch, unzählige längst geleerte Kaffeetassen lässig um sich herum verteilt. Ein Mann, den eine Fußball-WM umgehauen und dem sie (wie zum Hohn) auch noch einen ungeliebten Sieger beschert hat.
Das aber können wir nicht behaupten. Nein, im Gegenteil: Frankreich hat gewonnen, das haben auch wir gefeiert, das entsprechende Getränk auf den Sieg dieser Mannschaft geleert und die nächste Fahrt nach Paris gebucht, wo die Helden heute eintreffen werden.