Grosse Ferien 6 – Im Freibad, französisch

Die strenge Dichotomie von „Schwimmer“ und „Nichtschwimmer“ fußt auf den beharrlichen Entitäten von „Bodenlosigkeit“ und „Boden“. Im Bewegungsraum des Schwimmers entwickelt der Freiraum des Wassers nämlich jene kreativen Impulse, die vom Bodenentzug herrühren, während der Nichtschimmer die Flächen des Bodens als statisch aufgeladenes Energiemoment der Erdenhaftung empfindet.

Beide Pole der sommerlichen Bewegung im nicht zufällig „Freibad“ genannten Raum bewegen sich unaufhörlich aufeinander zu und voneinander weg. Die dadurch auftretende Spannung zirkuliert im Rettungsring, dessen Farben (weiß und rot) die Momente von Offenheit (weiß) und Bedrohung (rot) symbolisieren.

Der Rettungsring entstammt den Welten der Schifffahrt. Eng ist er einerseits mit der Schiffsreling, andererseits aber auch mit dem Meer verbunden. Indem er ausgeworfen wird, fängt seine kreisrunde Form den hilflos treibenden Körper auf, rahmt ihn und übergibt ihn einer Struktur.

Seine Präsenz im „Freibad“ erinnert symbolisch an die nur scheinbar gegensätzlichen Welten von Erde und Wasser sowie ihre Durchdringung und mögliche Rettung. Deshalb baumelt er zwischen den künstlichen Polen von „Schwimmer“ und „Nichtschwimmer“ als kreatives Drittes, tertium datur, empfänglich, spielerisch und doch ernsthaft, ein verdinglichtes Zeichen des todesmutigen Torerospiels mit den Wellen.

(Aus Jean-Claude Orteil: Métamorphoses de l’eau. Metamorphosen des Wassers. Aus dem Französischen von Hanns-Josef Ortheil. Druck in Vorbereitung)