Grosse Ferien 7 – Unerwartete Phantasien am frühen Morgen

Ich stand sehr früh auf, um den Regionalzug in die Großstadt zu bekommen. Auf dem Ortsbahnhof war kein Mensch zu sehen, ich stieg in den fast leeren Zug, der erste Sonnenschein machte sich breit. Ich hatte nur eine kleine, schwarze Aktentasche mit wenigen Unterlagen dabei, und ich fühlte mich plötzlich – mitten im ruhig dahingleitenden Zug – vollkommen zufrieden. Langsam vertiefte sich das, und der frühe Morgen verwandelte mich in einen mit sich selbst einverstandenen Menschen, der gerade zur Büroarbeit fuhr und keine unnötig großen Ansprüche an das Leben stellte …

In der Großstadt würde ich meine Arbeit tun und danach mit einem Kollegen zwei Kölsch trinken. Ich wäre unverheiratet und kinderlos, und ich hätte auf dem Land eine Zwei-Zimmer-Wohnung, minimalistisch eingerichtet, perfekt aufgeräumt, ohne einen einzigen überflüssigen Gegenstand. Am frühen Abend führe ich dorthin zurück und ginge zum Schwimmen.

Ich wäre schlank, gut gebaut und sehr gesund, und ich würde außer den beiden Kölsch (dann und wann) keinen Alkohol trinken. Spätabends würde ich jeden Tag eine kurze Tagebuchnotiz in einer Kladde machen: „5.45 Uhr auf. Fahrt mit dem RE nach K. – Arbeit an …“

Nichts könnte mir etwas anhaben. Einmal in der Woche wäre ich im Kino. Keine Konzerte, kein Theater, kein Museum. In der anbrechenden Dunkelheit würde ich joggen, 50 Minuten lang.

Ich würde mich fleischlos von Gemüse und Früchten ernähren. Urlaub im Ausland käme nicht in Frage. Ich wäre im Süden (in den Bergen) oder ganz im Norden (an der See) unterwegs. Einmal im Jahr würde mich ein befreundeter Arzt von Kopf bis Fuß untersuchen. Seine Prognose: Ich würde über hundert Jahre alt werden.