Orkanböen

Vergangenen Freitag, 8. März 2019, veröffentlichte ich um 12.21 Uhr einen Blogeintrag, in dem ich meinen Leserinnen und Lesern neue Digital-Vorhaben meines Schweizer Kollegen Martin Suter erläuterte und ihnen dazu drei kurze Fragen stellte, mit der Bitte, sie nach Möglichkeit zu beantworten.

Etwa zwanzig Minuten später trafen die ersten Reaktionen per Mail bei mir ein. Am Himmel wurde es fast gleichzeitig dunkler, laut Wetterbericht war ein Sturm mit massiven Böen im Anmarsch, man konnte es ahnen, wenn man die Wolkenfelder ernst nahm, die am Horizont einen ersten kleinen Tanz hinlegten.

Gegen 18 Uhr abends hatte der Sturm sich orientiert und entwurzelte in meinem Garten erste Sträucher. Von den Leserinnen und Lesern waren bereits über fünfzig Rückmeldungen eingegangen. Die meisten riefen mir ein lautstarkes „Bitte nichts ändern!!“ zu, formulierten ihren Abscheu über Twitter und Instagram und baten mich eindringlich, in Zukunft auch ohne Sutersche Bezahlungsmanöver auszukommen.

Im Lauf des nächsten Vormittags trafen stündlich viele weitere Mails ein, mein Smartphone meldete sich alle paar Minuten mit einem subtilen Zittern, während der Sturm sich von anfänglichen Böen zu Orkanböen hin ausweitete. Ich wagte es nicht mehr, das Haus zu verlassen, morsche Äste naher Bäume klatschten wie Rutenhiebe auf das Dach, während die Schindel einer Gartenhütte munter davonflogen und in einer Hecke strandeten. Am Abend zählte ich einhundertzwanzig Rückmeldungen.

Dann der Sonntag. Mein Smartphone erlitt einen Vibrationskatarrh, leuchtete fast unaufhörlich und spielte Notmeldungen (wegen der Orkanböengefahren) ein. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser hatten sich zu einem gewaltigen Chor Giuseppe-Verdischen Ausmaßes verdichtet. Nicht mehr „Bitte nichts ändern!!“ war der Refrain, sondern „Auf keinen Fall etwas ändern!!“ Ein altersmüder Apfelbaum erlitt eine schwere Fraktur, die Windböen zogen pfeifend und drohend ums Haus, ich ging in meinem Arbeitszimmer auf und ab und studierte die nicht aufhörende Maildichte. Über zweihundertzwanzig Rückmeldungen waren es am Abend.

Heute, liebe Leserinnen und Leser, bin ich mit Aufräumen in Haus und Garten beschäftigt. Morgen werde ich Ihre Mails mit den vielen interessanten Anregungen auswerten und Ihnen bald darauf die wichtigsten Erkenntnisse mitteilen.

Seien Sie bis dahin unbesorgt. Die Orkanböen dieses Wochenendes haben mir den Weg gewiesen. Natürlich erhebe ich keine Gebühren, natürlich meide ich Twitter und Instagram, und natürlich bleibe ich der, der ich immer war, bin und sein werde. Halleluja.