Calor 2

Diese nervenzerreißenden Tage, an denen Du den Lesungen in Klagenfurt folgst und Dich von kalten Getränken ernährst und der alte Fernseher laufend abschaltet und seltsame Zeichen auf monochromem Grund meldet, ein Hellgrün, ein verwaschenes Weiß, externer Player, wer spricht da, wer sendet mir das, und eine Jurorin der Hitze erliegt und von Sanitätern aus dem Studio getragen wird, während der Sender den Dienst versagt und plötzlich Bilder der tagesschau eingeblendet werden, die Kanzlerin mit einem Anfall immensen Zitterns, die Arme verschränkt, und im nächsten Moment in einem Flieger davonzwitschernd zum Osaka-Gipfel, dessen Sequenzen ich durch einen Druck auf die Fernbedienung hinter mir lasse, nicht darauf reagierend, dass in der Hitze-Hölle des Draußen meine ehemals grüne Schwadron sich in eine fiebrig gelbe Löwenblickhorde verwandelt und mich auffordert, endlich die Regie ihres Daseins zu übernehmen, cut, schreit sie, und es ist, denke ich, etwas vom Klagenfurtbeben darin, von den wächsernen Leibern der Vorlesenden und den feuchten Augenwinkeln der Jury, die laufend Goldnymphchen zum Fliegenfischen verteilt, während unser aller Talent, Leander Fischer, den Quellen und Bächen entsteigt und Wetten daraufhin eingeht, ob er oder Katharina Schultens ein Mehr an Preisgeld einfahren … (Lektüre des Tages – Siri Hustvedt: Die zitternde Frau. Eine Geschichte meiner Nerven. Aus dem Englischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald. Rowohlt 2010)