Hildegard Kempowski ist gestorben

Heute findet um 15 Uhr in Haus Kreienhoop in Nartum die Trauerfeier für Hildegard Kempowski statt, die am 12. August im Alter von 84 Jahren gestorben ist.

Haus Kreienhoop ist das von ihrem Mann, dem Schriftsteller Walter Kempowski (1929-2007), großräumig entworfene, mitten auf dem Land gelegene Wohnhaus, in dem die Kempowskis jahrzehntelang gelebt, Gäste empfangen, Literaturveranstaltungen aller Art organisiert und dem umfangreichen literarischen Werk Kempowskis eine Bühne geboten haben.

Ich habe Hildegard Kempowski zwar schon vor dem Tod ihres Mannes kennengelernt, näher gekommen sind wir uns aber erst, als ich Haus Kreienhoop aus Anlass einer Lesung besuchte. Danach war ich viele Male dort, als Lesender, aber auch als Vortragender, der zum fünfjährigen Bestehen der Stiftung Haus Kreienhoop (2010) sogar den Festvortrag hielt. Auch als Seminarleiter eines Literaturseminars der Universität Hildesheim bin ich dorthin gereist und habe während dieses Seminars mit Hildegard Kempowski aus dem Stegreif ein Stipendien-Projekt entwickelt, das jahrelang Studierende des Faches Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus für einige Wochen nach Nartum führte, um in der ländlichen Einsamkeit an ihren Romanen zu arbeiten.

Solche Angaben berühren den auf Öffentlichkeit und das literarische Leben bezogenen Teil unseres Kontakts. Der private Teil verlief tiefer und gehört zum Erstaunlichsten, was ich an Verbindungen mit Leserinnen und Lesern erlebt habe. Denn Hildegard Kempowski widmete sich jedem meiner neu erschienenen Bücher mit besonderer Anteilnahme. Mit der Zeit wurde sie zu einer meiner kundigsten und aufmerksamsten Leserinnen überhaupt.

Las ich in der Stadtbibliothek Bremen, ließ sie es sich auch bei schlechtem Wetter nicht nehmen, eigens anzureisen. Erhielt ich in Hamburg den Hannelore Greve-Preis der Hamburger Autorenvereinigung, tauchte sie unerwartet und plötzlich unter den Zuhörern der Festveranstaltung auf, um mir zu gratulieren. Und zwischendurch schrieb sie mir Briefe, in denen sie mir vom Leben in Haus Kreienhoop erzählte.

Mit ihr habe ich eine wunderbare, humorvolle und treue Freundin verloren, mit der ich mich so gut verstanden habe wie mit kaum einer anderen Leserin meiner Bücher. Es ist schade, dass ich heute um 15 Uhr nicht in Haus Kreienhoop sein kann. In Gedanken aber bin ich dort, um in den traurigen Momenten dieser Stunden aus den Fenstern hinauszuschauen auf das weite Land ringsum, auf seine Äcker und Wiesen und auf all das, was von ihr geprägt und gestaltet wurde, damit es für noch lange Zeit weiterlebt.