Endlich sind John Ruskins (1819-1900) Grundlagen des Zeichnens (in drei Briefen für Anfänger) in einer neuen, zeitgemäßen Übersetzung (von Helmut Moysich) und zudem noch sehr schönen Ausgabe (der Dieterich´schen Verlagsbuchhandlung Mainz) rechtzeitig vor Weihnachten erschienen. Die Grundlagen gehören zu jener Sorte Unterricht, wie ich sie liebe. Sie richten sich ausdrücklich nicht an die, die Künstlerin/Künstler werden, sondern an die, die zunächst einmal genaues Sehen lernen sollen.
Dabei geht es in besonderem Maß um das Sehen von Natur (Landschaft) oder von Gegenständen, wie sie uns im sonstigen Alltag begegnen. Der Gegenstand und seine Details stehen also am Anfang der täglichen Übungen, die Ruskin über das Skizzieren hin zum Umgang mit Farbe und Komposition führt.
Das genaue Sehen und das Studium der Gegenstände schärfen das Auge schließlich so, dass auch das Betrachten bedeutender Zeichnungen und Bilder der großen Meister vertieft wird – in handwerklichem Sinn und nicht in dem bildungsbeflissenen, der die Kunsttheoretiker zu ihren Begriffsübungen antreibt.
„Elementares Zeichnen“ lernen – heißt bei Ruskin, durch eine uneitle Schule der Wahrnehmung zu gehen, so wie er sie selbst mit seinen Venedig-Skizzen (The Stones of Venice) betrieben hat.
(Mein eigenes Unterrichten des Kreativen Schreibens habe ich immer ganz ähnlich verstanden – es meinte: Wortwahl, Ausdruck und Stil der eigenen präzisen Wahrnehmung möglichst detailgetreu anzupassen. Durch einen solchen Unterricht kann jede/jeder erhebliche Fortschritte machen. Die nächste Stufe wäre das Literarische Schreiben. Hier hilft einzig (wenn überhaupt) der Einzelunterricht durch einen sehr guten Lehrer – und zwar auch nur dann, wenn der Lehrer bereit ist, einen gerade entstehenden Text mit so viel Einfühlungsvermögen für Fremdes wie nur möglich zu begleiten.)