Herr Ortheil, wann und wo haben Sie das letzte Mal so richtig getanzt?
In Köln, während des Karnevals.
Tanzen Sie gerne?
Ja, sehr gerne, aber meist nur dort, wo sich viele Menschen zugleich singend und feiernd auf einer Tanzfläche bewegen. Die klassischen Gesellschaftstänze sind für mich dagegen ein Graus.
Woher kommt das Vorurteil?
Ich gehöre noch einer Generation an, die während der Schulzeit in eine Tanzschule geschickt wurde. Um nicht nur tanzen, sondern auch die sogenannten „guten Manieren“ zu lernen. Bereits nach der ersten Stunde habe ich zusammen mit einem Freund aufgegeben. Das war nichts für uns.
Und warum nicht?
Tanzen sollte etwas Spontanes oder meinetwegen auch Ekstatisches haben. Gesetzte Schritte und Schwingungen dagegen sind Ergebnis eines langen sportiven Trainings, das Disziplin und Ausdauer erfordert. Und die bringe ich fürs Tanzen nicht auf.
Ist auch Ballett nichts für Sie?
Lange Zeit war es das nicht, mit der großen Ausnahme von Pina Bausch. Ich habe nie an Ballett gedacht und nie daran, eine Stunde oder mehr Ballettaufführungen anzuschauen. Ich war ein dämlicher Ignorant. Seit kurzem ist das anders. Ich denke häufig an Ballett, sehr häufig sogar.
Wie kam es dazu?
Ich habe mich einige Zeit wegen einer Krankheit kaum bewegen können. In dieser Zeit habe ich „Ballett geträumt“ und mir Ballettfilme angeschaut. Manchmal mit Tränen in den Augen und in der Hoffnung, mich zumindest bald wieder gut bewegen zu können. „Ballett“ verkörperte für mich ein Ideal: die erzählte, hoch ästhetische Bewegung.
Dann lieben Sie vielleicht auch den Tango?
Ja, den liebe ich, würde selbst aber nie Tango tanzen. Tangomusik kann ich mir jedoch stundenlang anhören – und wenn ich es schaffen sollte, mich wirklich noch einmal aus Europa in die „weite Welt“ hinaus zu bewegen, würde ich nach Buenos Aires reisen und dort in die großen Tangopaläste gehen.
Buenos Aires also wegen des Tangos?
Wegen des Tangos, wegen der wunderbaren Buchhandlungen, wegen des Fußballs, wegen des Teatro Colón– und wegen Martha Argerich und Bruno Leonardo Gelber, die beide in Buenos Aires ihr fantastisches Klavierspiel gelernt haben.
Wann fliegen Sie hin?
Wenn ich wieder etwas mutiger bin.