Nach vielen Folgen der Kolumne Ortheils Befunde habe ich im Kölner Stadt-Anzeiger mit einer neuen Kolumne begonnen: Menschen aus der Nähe. Sie berichtet und erzählt davon, wie Menschen aus meinem Freundeskreis aktuelle Nachrichten aus aller Welt wahrgenommen und gedeutet haben. In der ersten Folge habe ich mich mit dem Deal beschäftigt:
Mein Freund Peter ist Lektor in einem mittelgroßen Verlag. Gerade hat er, wie er sagt, einen Autor „eingekauft“, der bisher bei einem kleineren Verlag publizierte. Das neue Manuskript dieses Autors hält Peter für „nicht weltbewegend“, man wird es auch nicht deshalb drucken, weil man sich einen stattlichen Gewinn davon verspricht. Es geht vielmehr um etwas Anderes, das im Hintergrund der Transaktion eine Rolle spielt.
Der fragliche Autor sitzt nämlich in mehreren Jurys, die attraktive Literaturpreise vergeben. Außerdem ist er Mitherausgeber einer Literaturzeitschrift – und nicht zuletzt ist er mit einem Literaturredakteur, der im Fernsehen seine Buchtipps verbreitet, eng befreundet. So gesehen, ist der Neueinkauf ein Kommunikator ersten Ranges, der seinem neuen Verlag vielerlei Dienste erweisen könnte.
Peter nennt seinen Coup einen „Deal“. Seit Donald Trump den Begriff inflationär selbst dann gebraucht, wenn er sich ins Sonnenstudio setzt, benutzt ihn auch mein Freund. Früher spielte das Wort eine eher unappetitliche, dunkle Rolle, wenn von Dealern und Drogen die Rede war. Jetzt aber meint „Deal“ etwas Anderes: Eine nach außen hin harmlos erscheinende Abmachung, die im Dunkel bleibende Hintergründe hat. Sie sind geheim und werden auf keinen Fall schriftlich fixiert. Ganz nebenbei kommen sie dem, der einen Deal „einfädelt“, zugute. Er erhofft sich Vorteile, von denen andere nichts ahnen.
Trumps Deal-Projekt mit dem Präsidenten der Ukraine ist genau von dieser Art. Es operiert mit Angeboten und Gunstbeweisen, von denen die Öffentlichkeit nichts wissen soll. Sie lassen den Präsidenten eines der größten Länder der Erde wie einen kleinen Ganoven handeln, der nicht das Gemeinwohl, sondern sein popeliges Privatinteresse im Auge hat.
Ich sprach darüber mit meinem Freund Peter. Einen Moment lang war er erschrocken. Dann wimmelte er Bedenken aber ab: „Wie gut, dass ich kein Staatspräsident bin! Und wie gut, dass mich nicht mein privates Fortkommen, sondern das des Verlages interessiert!“