Löwenzahn
Plötzlich, von einem Tag auf den andern, bemerkt man sie allüberall und an unerwarteten Orten: Mitten auf steinigen Wegen, an trockenen Hangflächen, in den Ritzen eines Bodenbelags rund um das Haus.
Zuerst erscheint als Präludium das gezackte Grün ihrer Blätter: ausladende Fächer und Rosetten fingern sich über den Boden, tasten ihn ab und präparieren ihn für den Auftritt der Blüte.
Anfänglich duckt sie sich noch, dann stemmt ein hohler Stiel sie um ein Geringes mehr ans Licht.
Ihre Mitte zieht den Blick an, von diesem kleinen Punkt gehen erst kurze, dann längere Strahlen aus, formieren sich zu einem geschlossenen Kreis und halten auf unerklärliche Weise zusammen.
Die Schönheit dieser Erscheinung wird oft nicht richtig geschätzt. Dabei wetteifern ihre gelb schimmernden Blüten im Kleinen mit Sonnenerscheinungen und Epiphanien, wie sie sonst nur großen Malern gelingen: in fein abgestuften Maßen und übereinander lagernden Schichten einen Körper als blühenden Raum atmen zu lassen.