Nein, der Vollherbst rauscht noch nicht durchs Land, wir erleben vielmehr gerade den Spätsommer oder den Frühherbst, also eine der schönsten Übergangszeiten des Jahres.
Die sommerlichen Energien lassen nach, und das Sonnenlicht legt sich breit, wie eine glimmende Decke, auf das austrocknende Grün. Die ersten Gelbtöne schimmern durch, und die Früchte verdichten ihr Spektrum der Farben. Die Wärme kauert zwischen den Pflanzen, Sträuchern und Bäumen als ein letzter Vorrat, ausharrend. Kein Wind, keinerlei Bewegung, sondern ein einziges Gehenlassen, die letzte, große Statik der Natur vor dem Umbruch.
Aber, was bemühe ich mich? Friedrich Hebbel hat das alles klangvoll besungen. Er nennt sein Gedicht Herbstbild, und er erkennt darin einen „Herbsttag“ – in Wahrheit meint er aber wohl eher einen Spätsommertag:
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
(Die von mir gesammelten Texte „In meinen Gärten und Wäldern“ erscheinen in wenigen Tagen, Anfang Oktober 2020, als Buch.)