Meine Eltern kannten die Namen der Pflanzen, Sträucher und Bäume in unseren Westerwälder Gärten genau. Fragte ich danach, erhielt ich meist eine Auskunft, konnte mir die Namen aber oft nur unvollständig oder in kindlich veränderter Version merken.
„Ilex“ dagegen war ein Name, den ich nie vergaß, denn er passte genau zu dem leuchtend-gefährlichen Rot der in dichten Trauben versammelten kleinen Früchte und den dornigen, aufflammenden Zacken der ledrigen Blätter.
Ich wagte nie, sie zu berühren, aus Angst, gestochen oder vergiftet zu werden, ja, selbst die Vögel hätte ich am liebsten gewarnt, auf keinen Fall von ihnen zu kosten.
Dabei gefiel mir ihr Leuchten doch sehr, und ich musste in den herbstlichen Tagen oft hinschauen: auf den Kranz der grellgrünen Blätter mit ihren fein ausgemalten, hellen Umrandungen und auf die Nestfülle des Rot, das sich so lange hielt und selbst bei kälteren Temperaturen nicht vergehen wollte.
„Ilex“ war für mich der Name einer magischen Pflanze, die etwas Märchenhaftes hatte und zu Schneewittchen passen würde: Stechend und schwere Blutstropfen vergießend, die das Rot der Früchte mit einem nachdunkelnden Ton überzogen hätten.
(Das Buch In meinen Gärten und Wäldern ist gerade erschienen, dieser Text aber ist neu und wird irgendwann in einer erweiterten zweiten Auflage auftauchen.)