Ein Sommer mit Francis Scott Fitzgerald

Manchmal lege ich Lesezeiten für eine einzige Autorin oder einen einzigen Autor ein. Dann widme ich mich ihnen mit Haut und Haar, lese – wenn möglich – alles, verschwinde in Tagebüchern, schreibe ihnen heimlich Briefe oder lasse mir Briefe schreiben. Mit anderen Worten: Ich versinke in einem Gesamtwerk.

Fast immer kontaktiere ich zunächst keine Sekundärliteratur, sondern lese nur die Primärliteratur, also das, was die Autorin oder der Autor selbst geschrieben haben. Ich hüte mich, gängigen Vor-Einschätzungen oder ausgetretenen Wegen zu folgen und lese (im Zug, in Cafés, unterwegs, im Garten) alles, was X oder Y für mich bereithalten.

In diesem heißen Sommer habe ich mir vorgenommen, mich dem Werk von Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) hinzugeben…, ja,: hin-zu-geben, genau. Ihn umgibt eine Aura von Ekstase, Leidenschaft und Wildheit, und ich vermute, er hat die Roaring Twenties in den USA so genau beschrieben wie kaum ein anderer.

Die Roaring Twenties sind an diesen überhitzten Tagen genau die richtige Welt für mein illusionäres Leben. Mit Hilfe von Francis Scott und den übrigen Fitzgeralds (seine Frau Zelda gehört unbedingt dazu) möchte ich in eine aufgeregte, hemmungslose Zeit abtauchen, in der man nicht für jeden kleinen Griff ins Volle einen Shitstorm abbekam. Liebe, Trunksucht, Jazz? – Ich bin auf alles gefasst, wenn auch peinlicherweise oft nur im Liegestuhl. Mal sehen, was Francis Scott alles so mit mir vorhat.

Heute beginne ich mit der härtesten Dosis: Den Briefen, die F. Scott und Zelda einander geschrieben haben: Lover! – na, das ist doch mal ein Titel!!

„Liebster, bitte, bitte, sei nicht so niedergeschlagen – Bald sind wir verheiratet, und dann ist für immer Schluß mit diesen einsamen Nächten…“ – das sind die ersten Sätze Zeldas vom März 1919. Ich kann mir kaum einen reinziehenderen Anfang vorstellen…