Charaktere 3

Die „Charakterstücke“, die ich heute Abend während meiner Lesung im Stuttgarter Literaturhaus (ab 19.30 Uhr) einspielen werde, sind Beispiele aus dem neunzehnten Jahrhundert, als viele Komponisten die tradierten musikalischen Gattungen (Sonate etc.) als zu starr empfanden und auf freiere, der Improvisation nahekommende Formen auswichen.

„Charakterstücke“ entstanden damals vor allem für das Klavier. Es waren Kompositionen, die einen atmosphärischen Zustand oder eine Gestalt/Figur vergegenwärtigen und umkreisen wollten.

Die meist kurzen, nur wenige Minute langen Stücke hatten oft einen reflektierenden oder darstellenden Gestus. Sie waren der Erzählung oder einem Bild nahe und ergaben in einer bestimmten Reihung einen Zyklus.

Das berühmteste Beispiel sind Robert Schumanns Kinderszenen (1838), in denen sowohl die Spiele der kindlichen Welten (Hasche-Mann) erscheinen als auch die Spielenden selbst (Kind im Einschlummern), in „charakteristischen“ Momenten des kindlichen Ausdrucks.