Die literarischen Welten erinnern sich momentan an den einhundertsten Todestag von Marcel Proust (1871-1922). Die Entstehungsgeschichte seines großen Romanzyklus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist noch immer eine der vielsagendsten und spannendsten Entstehungsgeschichten des Erzählens überhaupt.
Eine Dokumentation in der ARTE-Mediathek
Die Welt des Marcel Proust: https://www.arte.tv/de/videos/096300-000-A/die-welt-des-marcel-proust/
erzählt davon zum Glück nicht so, dass lauter Proust-Fachleute zu Wort kommen, sondern nur die ehemalige Haushälterin Céleste Albaret, die über ihre Jahre bei Proust nach seinem Tod sogar ein Buch geschrieben hat.
Daneben sind aber vor allem die zahlreichen Archivaufnahmen aus jenen Tagen und Welten hoch interessant, in denen der Roman spielt. Man sieht die Lebensszenen auf den Pariser Straßen und solche von Prousts Aufenthalten in der Provinz sowie am Meer in alten schwarz-weiß-Aufnahmen, die etwas stark Atmosphärisches und dadurch Erzählerisches haben.
Schließlich sieht man auch die Fotografien jener Menschen aus Prousts Umkreis, die in der Recherche eine wichtige Rolle spielen. Proust sammelte diese Fotografien in einem Kasten, den die Haushälterin bereithalten musste, wenn er sich an Details erinnern wollte.
Prousts Eintauchen in die mondänen Welten der Belle Époque nach 1870 legte das Fundament für die Arbeit am Roman. Sie begann, als Proust sich aus diesen Welten in ein abgedichtetes Zimmer zurückzog, in dem er Tag und Nacht nur noch mit Schreiben verbrachte. Die Doku in der ARTE-Mediathek liefert dafür bildliches Anschaungsmaterial par excellence.
Das Nachdenken über die Entstehung des großen Romanzyklus ist auch eines der Lebensthemen des Semiologen und Schriftstellers Roland Barthes (1915-1980) gewesen. Im Suhrkamp-Verlag sind gerade die Proust-Texte von Barthes gesammelt erschienen (Proust. Aufsätze und Notizen. Hrsg. von Bernard Comment). Darin finden sich Sätze, die ich dreifach angestrichen habe:
„Die Literaturgeschichte enthält augenscheinlich wenig Rätsel. Hier dennoch eines, das Proust zum Helden hat. Es beschäftigt und interessiert mich um so mehr, als es sich um ein Rätsel des kreativen Schaffens handelt (die einzig relevanten für den, der schreiben will).“
Alles klar?! Alles klar.