Kölsche Lieder – für jeden, der in Köln geboren wurde oder aus anderen Gründen besonders an dieser Stadt hängt, gehört die Kenntnis der schönsten Kölschen Lieder zum Leben. So kann es passieren, dass mitten im Alltag die Erinnerung an bestimmte Liedzeilen sich Bahn bricht und man unversehens zu summen oder zu singen beginnt.
Besonders häufig ist mir das mit Fritz Webers Ich bin ene Kölsche Jung passiert, es ist ein Lied, mit dem ich meine ganz persönliche Anthologie der schönsten Kölsch-Lieder eröffnen würde:
Als kleine Jung hatt‘ ich mich eins verlaufe,
ich glöv (ich glaube), ich wollt mir nur eh´ Rahmkamellsche kaufe,
ich fund ming Stross nit mi, ja dat war schwer,
ne Schutzmann frochte mich, Wo bist her?
Ich hat en Angst, er nöhm mich beim Schlawitsche,
im Jeist soh ich mich schon derektemang im Kittsche,
doch spoort (spürte) ich janz jenau,
er meint et jut mit mir, ich seht ihm dann: drei hetzich on mein Ihr.
Ich binne ne Kölsche Jung, watt willste mache?
Ich binne ne Kölsche Jung und dunn jern lache.
Ich bin och sonst nit schlecht, nee, ich bin brav,
ming Lieblingswörtsche, heiss Kölle Alaaf!
Ich tät och schwer an minger Mutter hänge,
wenn sie och menchesmol mit mir tät kräftig schenge,
doch war im Grund ich doch, de liebe Jong,
so leicht bracht ich sie nit us der Fassong (frz.fasson),
und hat ich eins en Sammeltass´ zerbroche´,
dann dach ich janz bestimmt jetzt häst de wat verbroche,
die Mam´ set nur für mich, du küsst net vor die Tür,
ich seht dann, Mam´ ich kann doch nix dafür.
Ich binne ne Kölsche Jung, watt willste mache?
Ich binne ne Kölsche Jung und tun jern lache.
Ich bin och sonst nit schlecht, ne ich bin brav,
min Lieblingswörtsche, heiss Kölle Alaaf!
Ich rode dir, loss niemals der Kopp hange,
lach doch im Leve nur dann wirst dich schon fange,
denn wenn de nit mi lachst, dat is verkeht,
sing doch dinn Muttersproch eh Kölsche Leed,
sing so wie ich, du bruchst dich nit zu schamme,
und hest de jrosse Forch (Furcht), dann singe mir zusamme,
wenn do dann einestags am Himmelspöötzje (Himmelpförtchen) stehst,
dann sag dem Petrus heimlich, still und leis:
Ich binne ne Kölsche Jung, watt willste mache?
Ich binne ne Kölsche Jung und tun jern lache.
Ich bin och sonst nit schlecht, ne ich bin brav,
min Lieblingswörtsche, heiss Kölle Alaaf!
Der Kölsche Jung, der hier scheu, ängstlich und schließlich doch selbstbewußt zu sprechen beginnt, ist in meinen Ohren ein Kind der Nachkriegsjahre. Er ist in bescheidenden, ja vielleicht sogar armen Verhältnissen aufgewachsen – die zerbrochene „Sammeltass“ deutet darauf hin. Ein Vater kommt nicht vor (wo ist er? Ist er im Krieg gefallen?), wohl aber die Mutter, an der er so hängt wie an keinem anderen Menschen. Die Umgebung, draußen auf der Straße, ist die der Furcht einflößenden „Schutzmänner“, denen man am besten aus dem Weg geht. Man entkommt ihnen, indem man mit ihnen spricht – einfach, ehrlich, aus dem Selbst heraus. Man flüstert Kölsche Wörtscher, und das mächtigste von ihnen ist „Kölle Alaaf!“. Es ist ein letztlich hilflos erscheinender, aber wirkungsvoller Seufzer, der zum Lachen und Singen einlädt und dem kleinen Bub die Scham der fehlenden Wertschätzung nimmt.
Kein Mensch hat dieses wunderbare Lied, das mich wie kein anderes an meine Kölschen Kinderjahre erinnert, so treffend und passend gesungen wie Hans Süper. Jedes Mal, wenn ich mir das Video seines offiziellen Abgangs von der großen Bühne anschaue, lockern sich schon mit den ersten Zeilen die Tränen – ungehemmt, immer mehr, ein kleiner Strom, ich komme nicht dagegen an.
Gestern habe ich erfahren, dass Hans Süper im Alter von 86 Jahren gestorben ist. Ich werde mich immer an ihn erinnern – so lange, bis wir uns am „Himmelspöötzje“ wiedersehen: