Perfect Days

Ich habe den Spielfilm Perfect Days von Wim Wenders gesehen, der bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt wurde.

Wenders nimmt den Titel ernst und beim Wort, er konzentriert sich auf die regelmäßigen, kaum gestörten Tagesabläufe seiner Hauptfigur, des Toilettenreinigers Hirayama (Kōji Yakusho).

Man sieht ihm jeden frühen Morgen beim Erwachen zu, beobachtet, wie er sich die Zähne putzt und auf die Arbeit vorbereitet. Mit dem Wagen des Reinigungsdienstes fährt er durch Tokio und sucht eines der bildschönen Toilettenhäuschen nach dem andern auf.

Kontakte zu anderen Personen ergeben sich vorerst nicht, Hirayama bleibt schweigsam und mag keine „Konversation“. Die Arbeit nimmt er genau, er reinigt die sanitären Anlagen akribisch und mit einer nicht zu übersehenden Ausdauer und Gründlichkeit. Was um ihn herum geschieht, geht ihn wenig an, wichtiger sind ihm die singulären Momente kurzer Glückserlebnisse, die er mit einer altmodischen Fotokamera festhält: Das Sonnenblitzen im Geäst eines Baumes, ruhig dasitzende Passanten auf Parkbänken.

Nach einer Weile glaubt man, dass in diesem Film nichts sonst mehr geschehen wird. Man taucht ein in die ritualisierten, alltäglichen Handlungsabläufe und versucht höchstens zu erkennen, welche Bücher Hirayama an den einsamen Abenden in seiner kleinen Klause liest, welche Musik er hört und welche Speisen er in immer demselben Lokal isst.

So entsteht ein schlichter Bilderbogen von Tagen, in den schließlich auch Gestalten aus Hirayamas Vergangenheit einbrechen: Seine Schwester, eine jüngere Nichte. Diese Begegnungen führen zu kurzen Explosionen der Gefühle, die aber schon bald wieder zurückgenommen, geglättet und weggewischt werden. Dann umarmen sich diese Verwandten und kehren in ihre Behausungen zurück, die der Film nicht aufsuchen mag.

Er bleibt vielmehr bei seinem Hauptdarsteller, fokussiert auf dessen Mienenspiel und seine geradezu stoische Bereitschaft, das Leben in einem konzentrierten Jetzt so zu gestalten, dass sich keine weiteren Fragen oder Hindernisse auftun.

Kennt man buddhistische Texte des alten Japans, ist man versucht, diesem Stoizismus einen buddhistischen Untergrund nachzuweisen, das jedoch wäre schon zu viel gesagt und gedacht, weil man sich mit solchen Deutungen Interpretationsmaschinen anschließen würde, die der Film mit all seiner Schweigsamkeit hinter sich lässt.

Vieles erinnert an den wunderbaren Film Paterson von Jim Jarmusch, der den Tagesabläufen eines Gedichte schreibenden Busfahrers folgt. Hirayama schreibt aber nicht, er fotografiert und sammelt seine Fotos. Sein Leben verläuft wie eine diskrete Spur im Universum Tokios, und die langen Fahrrad- oder Autofahrten lassen diese riesige Stadt wie nebenbei entstehen, als wäre sie nur dazu da, diesen einen Menschen zu begleiten und ihn zu einer Monade in ihrem Weltenbau zu machen.