Warum gehe ich seit einiger Zeit wieder häufiger ins Kino? Es tut gut, die Türen zu schließen, sich in eine leere Stuhlreihe ganz vorne zu setzen und den Blick auf die Leinwand zu fixieren. Die Bilder heften sich an das süchtige Auge und bleiben haften. Nichts sonst, die Welt draußen verschwindet, taucht langsam ab, meldet sich nochmal schwach in der Werbung für Kosmetik und Autoreifen und zieht sich dann kraftlos zurück.
So bei Vermeer – Reise in Licht, einem Dokumentarfilm, den ich bereits zum zweiten Mal gesehen habe. Er erzählt von der Amsterdamer Vermeer-Ausstellung und widmet sich den Inszenatoren der Show und damit den Ausstellungsmachern, den Kuratoren, den Angestellten im Rijksmuseum und den Personen, die sie befragen oder mit einbeziehen in ihre Überlegungen.
Wohltuend ist es, Menschen, die fast ausschließlich auf eine Sache (die Bilder Vermeers) konzentriert sind, genau dabei zu beobachten. Alle sind „Liebhaber“ dieser Bilder, aber eben auch Leute vom Fach, die jedes nur verfügbare Mittel einsetzen, um den Geheimnissen und Malweisen Vermeers näher zu kommen.
Daher erkennen wir, wie die Bilder sich in Röntgenaufnahmen verwandeln und eine Camera obscura Licht ins Dunkel bringt, indem Versuche mit diesem Hilfsmittel der Malerei beweisen, wie Vermeer sehen lernte.
Ein Maler versucht sich an Kopien Vermeers und verwendet genau jene Stoffe und Materialien, die auch Vermeer benutzte. Ein unfassbar reicher Sammler reist an und nimmt seinen Vermeer-Besitz zum ersten Mal ungerahmt in die Hände, als habe man ihm eine fette Beute serviert.
Die zentrale Gestalt dieser kreisenden Untersuchungen ist Direktor Gregor Weber, der seine letzte große Ausstellung im Rijksmuseum vorbereitet und mit dem man als Zuschauer durch alle Ekstasen und Tiefen der Vorbereitung geht.
Ekstase entsteht, wenn er einen Nachbarn Vermeers ausfindig macht und entdeckt, wie Vermeer zur Camera obscura fand. Und eine dunkle, tief nachwirkende Enttäuschung baut sich auf, wenn eine Braunschweiger Museums-Direktorin „ihren Vermeer“ nicht hergeben will, weil das Bild einer kleinen Schar Braunschweiger Abiturienten als Thema für ihre Prüfungen dienen soll, anstatt in Amsterdam für kurze Zeit Hunderttausenden eine Freude zu machen.
Dramen entstehen, wenn Vermeers Bild Mädchen mit Flöte (ein Bild, in das man sich sofort verliebt!) angeblich nicht von Vermeer sein soll, weil ein Klecks hier zu dick aufgetragen ist und ein Strich dort nicht so sitzt, wie ihn die amerikanische Museumscrew gerne hätte.
Man folgt Gregor Weber die ganze Zeit, indem man seinem Mienenspiel folgt, das die Macher dieses meisterhaften Films (Regie: Susanne Raes/ Kamera: Victor Horstink/ Musik: Alex Simu) subtil und unaufdringlich eingefangen haben.
Einmal wird er gefragt, warum er sich Vermeer derart ausgeliefert und so viele Jahre mit seinen Bildern beschäftigt habe. Er überlegt und setzt mehrmals an, und dann gibt er auf und sagt lieber nichts, während man deutlich mitbekommt, dass ihn die innere Rührung davon abhält, auch noch dieses Geheimnis aufzudecken.