Wolfgang Rihm ist gestorben

Am 27. Juli 2024 ist der Komponist Wolfgang Rihm im Alter von 72 Jahren gestorben. Er war einer der bekanntesten und anregendsten Komponisten unseres Landes, dessen Werke seit Jahrzehnten überall gespielt wurden.

Im vorigen Jahr sind zwei Gespräche in Buchform erschienen, die er mit dem Philosophen Peter Trawny über seine Arbeit, die Methoden und Ideen des Komponierens geführt hat (Frei. Klostermann Essay)

Dort sagt er u.a.: „Jeder stellt sich vor, naja, dem Komponisten fällt da eine Melodie ein und dann wird er damit weltberühmt. Ich habe versucht, dem ein anderes Bild entgegenzusetzen, dass da eine Substanz ist, eine Stofflichkeit auch, die mich ausfüllt und von der ich immer wieder Teile preisgebe. Ich kalbe sozusagen. Wie ein Gletscher.“

Die Lektüre dieser Gespräche könnte eine gute Vorbereitung für das Hören seiner Werke sein. Womit man gleich beginnen könnte, auch im Blick auf die Partitur:

Ein Papstbrief erstaunt

Papst Franziskus hat ein erstaunliches Schreiben veröffentlicht. Nur vordergründig wendet sich sein Brief „über die Bedeutung der Literatur in der Bildung“ an Priester und Priesteranwärter. Tatsächlich spricht er alle Gläubigen an. Dabei geht es zentral nicht um bestimmte Glaubensthemen, sondern eher darum, wie der Umgang mit diesen Themen zeitgemäßer gelebt und gestaltet werden kann.

Dem Papst scheint nicht entgangen zu sein, dass Gottesdienste auch deshalb immer seltener besucht werden, weil sich die frohen Kanzelbotschaften in Phrasen und endlosen Wiederholungen totgelaufen haben und dringend einer fundamentalen Erneuerung bedürfen. Woher aber soll die kommen?

Die päpstliche Antwort verblüfft, weil er sie in mehreren, immer wieder neu ansetzenden Gedankengängen so ausgefeilt und innovativ formuliert, als habe sie nicht ein Theologe, sondern ein Literaturliebhaber par excellence erdacht. Als ein solcher stellt sich Franziskus vor, als begeisterter Leser von Literatur und als früherer Lehrer an einem Gymnasium, der viel Verständnis für jene Schüler aufbrachte, die vor allem Texte lesen wollten, mit denen sie etwas verbinden und in denen sie Teile ihrer Lebenswirklichkeit entdecken konnten. Dieses Verständnis hat er sich erhalten und sagt: Lest bloß nichts aus falschem Pflichtgefühl, weil man euch nötigt, etwas zu lesen, entdeckt vielmehr eure eigenen Lektüren und literarischen Wegbegleiter!

Als Gewährsmann zitiert Franziskus den ebenfalls aus Argentinien stammenden Schriftsteller Jorge Luis Borges, der seinen Studenten empfohlen habe, sich nicht in Kommentaren und Theorien zu verlieren, sondern auf die lebendigen Stimmen in den Texten zu hören: „Das ist eine Definition von Literatur, die mir sehr gefällt:  die Stimme von jemandem hören.“

Nicht die Wucht päpstlicher Autorität spricht aus solchen Sätzen, sondern die Emphase eines Liebhabers, der die Literatur gerade deshalb schätzt, weil sie lebensnäher sein kann als bloße Lehre oder Theorie. Sie kann berühren und die ganze Vielfalt und die Abgründe der menschlichen Schwächen, Laster und Geheimnisse darstellen. Dadurch regt sie zu Einfühlung, Mitleiden und Empathie mit Schicksalen an, die von einem harten Leben gezeichnet sind.

Auf kluge Weise bringt Franziskus an dieser Stelle das Leben Jesu als Leidensgeschichte ins Spiel und spricht von Jesu „Leib, der aus Leidenschaften, Emotionen, Gefühlen, konkreten Geschichten, Händen, die berühren und heilen, Blicken, die befreien und ermutigen“, bestehe. Nicht durch die Verkündigung abstrakter Weisheiten, sondern durch seine dunkle und zum Tod führende Lebensgeschichte sei uns Jesus als Mensch nah.

Genau hier macht Franziskus auch die Verbindung von Glauben und Literatur aus. Die Literatur begebe sich auf die Suche nach den rauen und kruden Geschichten der Gegenwart, die vom Glauben aufgefangen und befragt werden sollten. Ohne die Kenntnis einer solchen Literatur bleibe unser Fühlen und Denken beschränkt.

Anders als im Umgang mit den neuen Medien habe der Leser hier zudem eine enorm wichtige, aktive Aufgabe: „Er schreibt das Werk in gewisser Weise um, erweitert es mit seiner Vorstellungskraft, erschafft eine Welt, nutzt seine Fähigkeiten, sein Gedächtnis, seine Träume, seine eigene Geschichte voller Dramatik und Symbolik“.

Im Brief des Papstes sind das keine bloßen Worte. Erstaunlich ist vielmehr, dass er diese Erkenntnisse auch direkt umsetzt und zeigt, wie und was er selbst gerne liest. So durchziehen den Text viele Verweise auf Autoren, von denen man bisher nicht einmal ahnte, dass Franziskus Passagen aus ihren Büchern in sein eigenes Denken aufgenommen hat. Marcel Proust, T.S. Eliot, Jean Cocteau, Paul Celan – Franziskus betrachtet sie ganz selbstverständlich als seine eigenen Wegbegleiter auf einer Hinführung zu einem großen Lektüreraum, zu dem nicht nur ebenfalls genannte theologische Klassiker wie Ignatius von Loyola oder Karl Rahner gehören, sondern der gesamte Raum von Weltliteratur.

Auch das beweist, dass er an einen „radikalen Kurswechsel“ im Umgang mit Literatur denkt. Die zu einer aktiveren Wahrnehmung führenden Lektüren dürfe man nicht wie bisher als bloße Unterhaltung oder als papierne Bildungsanstrengung abtun. Lesen sei auch in pragmatischem Sinn etwas Elementares, Tiefgehendes. Es rege Fantasie und Kreativität an, vergrößere den Wortschatz, verbessere die Konzentrationsfähigkeit und helfe, sich besser auszudrücken.

Voilà! Das hat Schwung und trifft ins Ziel. Der Brief des Papstes sollte von allen Kanzeln Wort für Wort verlesen werden.

Olympiade in Paris – Ich erinnere mich

Oft war in den letzten Wochen während der TV-Übertragungen aus Paris die Rede davon, dass eine Sportlerin oder ein Sportler „unsterblich“ geworden sind und sich mit dem Gewinn einer Medaille in die Geschichtsbücher eingeschrieben haben. Das hört sich bedeutend und stolz an, ist aber nicht die ganze Wahrheit. In den Geschichtsbüchern könnte nämlich die Erinnerung leicht verwelken, lebendig bleibt sie nur, wenn viele Menschen sie auch im Kopf behalten.

Das haben der amerikanische Schriftsteller Joe Brainard und der französische Schriftsteller Georges Perec gewusst. Beide haben Bücher geschrieben, in denen sie bestimmte Erinnerungen an kleine Momente fixierten (Ich erinnere mich und Je me souviens). Sie gehören zu meinen Lieblingsbüchern und sind längst zu Kultbüchern des Kreativen Schreibens geworden, deren einfache Übungen von vielen Schreibwilligen übernommen wurden.

Ich reihe mich ein und gebe im Blick auf Paris einige Beispiele:

Ich erinnere mich an die letzten sechs Sekunden des Handballspiels Frankreich: Deutschland, als die deutsche Mannschaft völlig unerwartet den Ausgleich erzielte und dadurch eine Verlängerung herbeiführte, in deren Verlauf sie das Spiel schließlich noch gewann.

Ich erinnere mich an die Mixed-Staffeln im Triathlon, die in den frühen Morgenstunden durch die Seine und über die legendären Brücken von Paris schwammen, radelten und liefen und so die Architekturen der Stadt leuchtend bebilderten.

Ich erinnere mich an den Nullfehler-Ritt des Springreiters Christian Kukuk im Stechen und daran, dass ich danach mindestens dreimal nachschaute, ob ich seinen Namen nicht doch wie den des Vogels Kuckuck schreiben sollte.

Ich erinnere mich an den 20-Meter-Stoß der Kugelstoßerin Vemisi Ogunleye und daran, wie fest sie an genau diesen siegreichen Stoß geglaubt hatte.

Ich erinnere mich an den Marathon der Männer durch das Zentrum von Paris bis nach Versailles und zurück und daran, wie ich mir während der Übertragung laufend selbst erzählte, an welchen Ecken ich bereits einmal gewesen war und wen ich dort getroffen hatte.  

Paris-Marathon

Hat es je einen schöneren Marathon gegeben als den des heutigen Morgens, der vom Pariser Zentrum nach Versailles und wieder zurück führt? Zigtausend Menschen an den Straßenrändern, die sonnigen Fluchten, eine nie dagewesene Inszenierung städtischer Atmosphären, ganz nebenbei.

Sobald es vorbei ist, kann man sich im hier angehängten Video auch historisch orientieren.

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein schönes, sommerliches Wochenende!

Das Pariser Glück

Wir halten es nicht mehr zu Hause aus, die Bilder von der Olympiade in Paris haben uns in einen leichten Taumel versetzt. Die Stadt, deren Zonen an der Seine wir einigermaßen zu kennen glaubten, hat noch einmal an atmosphärischer Dichte zugelegt und zeigt sich in Bildern, die alte Glücksgefühle mobilisieren. Und genau davon erzählen viele Gäste, die danach gefragt werden, wie sie die Stadt momentan erleben.

Wir erinnern uns an frühe Morgenstunden und daran, wie das Pariser Grau der Fassaden und Dächer ein Kribbeln auslöste, das bis zur Müdigkeit des Mittags anhielt. Wir machten immer wieder Station und hörten in den Cafés, die rund um die Uhr geöffnet waren, Musik.

 

Meist wussten wir nicht genau, was wir da hörten, unser Französisch war nicht das beste und von den Sängerinnen und Sängern kannten wir keine Namen. Hörten wir immer und wieder „Chansons“? Ach was, „Chanson“ war nur der Begriff, den wir aus Unkenntnis benutzten.

Bis heute ist es leider dabei geblieben. Italienische Canzoni kennen wir viele, aber für  französische Musik haben wir uns nie genauer interessiert.

André Boße hat ein Buch mit dem Titel Voyage, voyage geschrieben, das in sechzehn Kapiteln und auf 350 Seiten von den Trends und Szenen seit den sechziger Jahren erzählt. Es ist ein Buch der Frankreich-Liebe geworden, und wenn wir es aufschlagen, werden wir verdammt unruhig. Also: Wir sind unterwegs!

Die Fremdheit der USA

Nach dem Rückzug von Joe Biden aus dem Kampf um das Präsidentenamt fällt mir bei Gesprächen mit meinen Freunden auf, wie wenig wir für gewöhnlich von den USA wissen und wie fern und fremd die Meldungen von den politischen Gegebenheiten oft wirken. In Windeseile wird aus einer angeblich farblosen Vizepräsidentin eine siegesgewiss lachende Kandidatin gezaubert, die den aufs Altenteil verwiesenen Präsidenten doppelt alt aussehen lässt.

Dass sie in nur wenigen Tagen zig Millionen Spendengelder für die Unterstützung ihrer Kandidatur gesammelt hat, irritiert, wirkt es doch so, als entscheide sich die Präsidentenwahl vor allem durch die Unmengen an Geldern, die für Werbung und Gott weiß was ausgegeben und in die Welt gestreut werden. Wer diese Gelder zuschießt und ins Rennen wirft, erfahren wir meist nicht und haben daher auch keinen Eindruck davon, um welche Machtkämpfe es in den Lagern der Lobbyisten momentan geht.

In dem riesigen Land kämpfen nur zwei große Parteien um die Wählerinnen- und Wählergunst. Von den politischen Trends und Strömungen in diesen Parteien bekommt man hierzulande kaum etwas mit, sie bleiben ebenso im Hintergrund wie die Namen von Senatorinnen und Senatoren oder die der Entscheidungsträger im Repräsentantenhaus. Was wir stattdessen aber laufend mitbekommen, sind die kleinen Dramen gesundheitlicher Diagnostik oder die offensichtlichen Verrücktheiten eines Kandidaten, der alles tut, um die sozialen Medien Tag für Tag mit Abfall aus seinem Schreckenskabinett zu füttern.

Überhaupt wirkt die Berichterstattung über die USA oft so, als ginge es vor allem um die Reize dieser oder jener Performance, orientiert daran, welche Drehbücher sich daraus für die Zukunft filtern lassen. Wer hat gelacht oder geweint, wer bedient jene „emotionalen“ Wirkungen, nach denen jetzt auf allen Kanälen fieberhaft gefahndet wird. „Emotional“ ist das aktuelle Stichwort der Saison, das dem gelangweilten Publikum eine Herzspritze verpassen soll. Emotional ist ein Abgang vom Amt, emotional ist aber auch ein Abschied vom Tennissport, Hauptsache die Meldung enthält ein paar rührende Komponenten, die zumindest einen halben Tag in Erinnerung bleiben.

Die ernsthafteren, über die Zukunft entscheidenden politischen und sozialen Themen gehen dadurch oft unter. Wie steht es zum Beispiel um die für den 5. November angesetzten, wegweisenden Wahlen? Dass die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger den Präsidenten nicht direkt wählen, sondern Wahlmänner bestimmen, erstaunt viele meiner Freunde. Die Regelung erscheint wie ein Rest althergebrachten aristokratischen Misstrauens gegen die Demokratie, als könnte man es dem Volk nicht überlassen, die für passend Gehaltenen selbständig und selbstbewusst zu wählen.

Dass die Wahlwilligen sich außerdem für die Wahl registrieren lassen müssen und das notwendige Prozedere in den fünfzig Bundesstaaten nicht überall dasselbe ist, lässt ebenfalls aufhorchen. Es soll sogar Bundesstaaten geben, in denen nur Briefwahl möglich ist. Die üblicherweise niedrige Wahlbeteiligung erklärt sich wohl auch durch solche merkwürdigen Hürden.

Im Vordergrund des öffentlichen Interesses könnte neben dem Kennenlernen dieser Eigentümlichkeiten auch ein tiefergehendes Interesse daran stehen, dass mit der möglichen Wahl von Kamala Harris zur Präsidentin nicht nur ein Generationenwechsel, sondern auch eine Umschichtung der relevanten Zukunftsthemen verbunden wäre. Die Erleichterung, die viele meiner Freunde spürten, als sie diese Chance witterten, war unverkennbar.

Statt des egomanen Trump-Trubels könnten Themen wie Emigration, Rechte der Frauen, Bekämpfung der Armut, Klimaschutz, Sicherheit und Verteidigung oder soziale Gerechtigkeit endlich wieder nach vorne rücken. Darauf nicht nur kluge und differenzierte Antworten zu geben, trauen meine Freunde der weltoffenen Kamala Harris zu. Das könnte mit einem neuen Politikstil verbunden sein: Statt der Abgabe von Erklärungen aus dem Orkus der Hinterzimmer eine lebendige und demokratische Diskussion von Programmen und der Überzeugungskraft ihres Für und Wider.

Das Sommerinterview 4 – Was gerade passiert

 

Hanna: Nun haben wir die Bombe platzen lassen und verraten, dass Dein lange geplantes Buch über das Literarische und Kreative Schreiben im November erscheint! Du hast in kleinen Kreisen oft davon gesprochen, es hat Dich sehr beschäftigt. In die Details sollten wir aber erst gehen, wenn das Buch im Handel ist. Momentan ist es in der Herstellung, richtig?

 HJO: Ja, das Manuskript wird gerade gesetzt, ich erhalte in den nächsten Tagen die Druckfahnen. Der Verlag wird sie dann an mögliche Veranstalter von Lesungen verschicken, es gibt bereits recht viele Anfragen. Die Veranstaltungen sollen in diesem Fall moderiert werden, das heißt, ich möchte mich mit klugen Experten, die vom Thema etwas verstehen, über das Buch und seine innovativen Akzente unterhalten. Die Druckfahnen gehen außerdem auch an mögliche Rezensentinnen und Rezensenten.

Hanna: Das sind Aspekte und Themen, von denen die Leserinnen und Leser leider nur wenig mitbekommen. Wie entsteht ein Buch? Wer trägt alles etwas dazu bei? In welchen Schritten kommt es an die Öffentlichkeit? Kaum jemand spricht davon oder hat ein Interesse, die geheimen Mechanismen hinter dem Erscheinen eines Buches zu beleuchten. Dabei sind doch viele Menschen genau damit beschäftigt, in den Verlagen, in der Presse, in den Buchhandlungen. Darüber etwas zu erfahren und davon zu wissen, fand ich immer sehr interessant.

 HJO: Dann lass uns doch weiter skizzieren, was gerade alles passiert. Im Verlag ist die Herstellungsabteilung jetzt mit dem Hildesheim-Buch beschäftigt, außerdem natürlich die Marketing-Abteilung und die Abteilung, die Veranstaltungen plant und organisiert. Für jede Veranstaltung wird ein Vertrag geschlossen. Die Buchhandlungen haben Vorschauen für die neuen Herbsttitel erhalten und können überlegen, welche Titel sie bestellen und welche sie in Lesungen präsentieren.

Hanna: Können wir den Leserinnen und Lesern Deines Blogs Bücher empfehlen, die von all diesen Prozessen berichten oder erzählen?

 HJO: Ich empfehle Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen (Rowohlt Verlag), das allerdings schon etwas älter und 2005 erschienen ist. In 120 Artikeln berichten viele Expertinnen und Experten über die Details, von A (Absatz/AIDA-Formel) über L (Lektorat/Lesen) bis Z (Zielgruppe/Zwischenbuchhandel). Das sind 400 mit Informationen vollgepackte Seiten!

Hanna: Und vielleicht noch einen neueren Titel?

 HJO: Gerade ist Das Buch zum Buch. Ein Blick hinter die Kulissen von Rainer Moritz erschienen. Moritz ist ein absoluter Solitär und einer der originellsten Experten, der fast alle Bereiche des literarischen Lebens aus eigener Anschauung kennt. Heute ist er Leiter des Literaturhauses in Hamburg, früher war er Cheflektor und Programmgeschäftsführer, er ist aber auch Literaturkritiker, Übersetzer (aus dem Französischen), Kolumnist und Schriftsteller, der vielgelesene Sachbücher über Fußball, Paris und Schlager, aber auch Romane geschrieben hat.

Die Artikel seines Buches sind ebenfalls alphabetisch geordnet, es beginnt mit Adventure Writing und führt über Leseglück bis zum Zwiebelfisch. Hier geht es nicht primär um Informationen, sondern um das Leben als Mitspieler in einem Betrieb, von dem Moritz mit viel Ironie und einer ungehemmten Passion Teilhabe elegant erzählt. Dadurch entsteht in der Tat ein Blick hinter die Kulissen, und man merkt dem Autor in jeder Zeile an, dass er lange in Paris gelebt hat. Daher erfährt man auch pikante Details, an die man selbst nie gedacht hätte.

Hanna: Zum Beispiel?

 HJO: Unter dem Schlagwort Essen & Trinken liest man zum Beispiel etwas über die vielleicht kalorien- und alkoholreichsten Werke der Gegenwartsliteratur (S. 84). Es geht dort unter anderem um einen auch von mir geschätzten Roman, in dem sich ein Münchener Journalist in eine italienische Kunsthistorikerin (sic!) verliebt. Hier irrt allerdings der beredte Autor Moritz, es handelt sich nicht um eine Kunsthistorikerin, sondern um eine Meeresbiologin und Leiterin eines meereskundlichen Museums. Der Irrtum sei ihm jedoch verziehen, zumal er die leuchtenden Szenen des Romans leidenschaftlich beschwört: „Da breiten sich glänzende Feigen in Obstschalen aus, da werden Austern geschlürft, begleitet von Unmengen Weißwein, da ordern die hochgradig Verliebten hochkonzentrierte Fischsuppen …“

Hanna: Ich habe den Roman auch mehrmals gelesen, diese wunderbaren und hochsinnlichen Szenen bekommt man nicht mehr aus dem Kopf. Die Austern erscheinen wie Lebewesen und sind die nahrhaften Quellen des Erotismus. Das sind wahrhaftig französisch inspirierte Exerzitien. Leider mag ich Austern nicht besonders.

HJO: Man sollte sie zu zweit essen, zum Beispiel im Fischrestaurant der Stuttgarter Markthalle, das Du kennst. Zu zweit, und dazu sollte man ein Glas gut gekühlten Chablis trinken. Es ist eine Tiefenreise ans Meer.

Hanna: Ich glaube Dir, Du hast oft genug davon geschwärmt. Und ich kann behaupten, dass ich immerhin auf dem Weg zur Austernkosterin bin. Ich habe nämlich in einem Buch über das Leben und Sterben der Austern gelesen, dass die Auster „eine poetische und zugleich existentialistische Speise“ und dass ihr Verzehr aus guten Gründen ein heiliger Moment sei.

HJO: Wer hat das geschrieben?

Hanna: Andreas Ammer in seinem Buch „Austern“, das in der „Naturkunden“-Reihe von Matthes & Seitz erschienen ist. Da Du es mir sowieso bald aus den Händen reißen wirst, schenke ich es Dir und freue mich auf die nächsten Schritte hin zur Austernesserin. 

HJO: Danke! Das sind doch wunderbare Vorsätze! Lass uns den Rundflug zum „Stand der Dinge“ hier beenden und in die verdiente Sommerpause gehen! Der nächste Blogeintrag wird nach dieser Pause am 6. August 2024 erscheinen. So haben die Leserinnen und Leser ebenfalls etwas Zeit, kurz oder lang auf unser Gespräch zu reagieren.

Hanna: Stimmt, wir geben die Hoffnung nicht auf! Eine entspannte Zeit wünsche ich Dir!

Das Sommerinterview 3 – Die Tetralogie der Nähe

 

Hanna: Guten Morgen, machen wir weiter! Du hast Dein öffentliches Schreiben zuletzt um Instagram-Posts erweitert. Die Blogeinträge sind etwas anderes, die setzt Du auch fort. Wie lange noch? Hast Du darüber nachgedacht?

 HJO: Vorerst bis zum zweitausendsten Eintrag. Dann überlege ich grundsätzlich, ob ich weitermache oder ob man den Modus ändert. Viele Freunde schlagen zum Beispiel vor, eine Paywall zu installieren. Dann müssen die Nutzer regelmäßig einen kleinen Beitrag zahlen, wenn sie den Blog weiter lesen wollen.

Hanna: Finde ich nicht so gut, ich bin für freiwillige Zahlungen! Die laufenden Kosten für den Blog sind recht hoch, das weiß ich, aber man sollte sie nicht auf die Leserinnen und Leser abwälzen. Zwang ist immer schlecht.

 HJO: Begegnet aber vielleicht dem Übel des gesichtslosen, stummen Dauerlesens ohne jede Reaktion.

Hanna: Daran hast Du Dich doch längst gewöhnt. Wie auch immer, denke bitte nochmal drüber nach. Machen wir mit Deinen Büchern und dem Lebensprogramm des „Kosmos der Schrift“ weiter.

Alle Deine Bücher ergeben nach und nach ein weites Panorama, sie gehören eng zusammen, jedes entwirft und fixiert bestimmte Momente und Zeiten Deines Lebens. Wenn man das nicht erkennt und weiß, weiß man im Grunde nur wenig über Dein Schreiben. Man stolpert höchstens von Buch zu Buch. Alle Rezensenten tun das übrigens, ich kenne niemanden, der das Kosmos-Projekt je erwähnt oder gar gedeutet hätte.

 HJO: Stimmt, ich kenne auch niemanden. Zwei Literaturwissenschaftler bereiten zurzeit ein Buch der „edition text-kritik“ über meine Bücher vor, vielleicht liest man dort zum ersten Mal etwas darüber. Es soll 2026 erscheinen.

 Hanna:  Und was wirst Du selbst als nächstes veröffentlichen?

 HJO: Gehen wir kurz etwas zurück. Das Jahr 2019 war für mich ein sehr einschneidendes, prägendes Jahr. Ich habe eine Herzoperation überstanden, die mich fast das Leben gekostet hätte. Danach habe ich wieder klein angefangen. Ich habe mehrere Bücher über meine nächsten Dinge und Lebenszeichen geschrieben, angefangen mit dem Buch In meinen Gärten und Wäldern, das ich übrigens besonders mag. Es ist ein Buch der lebenserhaltenden Zuwendung, mit kurzen, pointierten Texten über Blumen, Sträucher, Bäume.

Danach habe ich in einem, wie man so sagt, autofiktionalen Roman (Ombra) von der Herzoperation mit all ihren Seitenwegen und Themen erzählt. Dieses Buch musste ich schreiben, schon allein deshalb, um mich von vielen dunklen Gedanken zu lösen oder gar zu befreien.

Hanna: Ist so etwas möglich? Befreit das Schreiben?

HJO: Nicht wirklich, aber zumindest vermittelt es die Illusion einer Befreiung. Es verschafft Luft, um an etwas Neues zu denken. Es wirkt befreiend, könnte man altklug sagen. Befreiend, ohne zu befreien.

Hanna: Ich möchte das nicht mir Dir vertiefen, das fällt mir schwer. Gehen wir lieber ein paar befreiende Schritte weiter.

HJO: Man könnte die Fortsetzung meines Schreibens fast als eine eigene Geschichte erzählen. Denn nach Ombra habe ich von den mir nächsten Bereichen meines Lebens erzählt, indem ich mich an eine Poetik der Nähe hielt. Charaktere in meiner Nähe, Kunstmomente und Von nahen Dingen und Menschen sind die Titel der Bücher, die das versuchen.

Hanna: Auch über diese sehr offensichtlichen Zusammenhänge habe ich nirgends etwas gelesen. In keiner Rezension, einfach nirgends. 

HJO: Es ist das alte Lied. Die Kritik starrt nur auf das einzelne Werk.

Hanna: Ich weiß, dass Du in den letzten vier Jahren ein großes Buch geschrieben hast. Wollen wir davon sprechen und verraten, um was es geht?

HJO: Ja, ich habe die Arbeit an diesem neuen Buch vor kurzem beendet. Es ist kein Roman, sondern die Darstellung meiner über dreißigjährigen Lehre in den Bereichen des Literarischen und Kreativen Schreibens an der Universität Hildesheim. Das neue Buch wird Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren heißen und im November 2024 im Insel-Verlag erscheinen. Darin habe ich alles festgehalten, was ich zum Lernen und Lehren zu sagen habe. Es ist ein umfassendes Buch geworden, ich bin stolz auf dieses Buch und fast gerührt, wenn ich an die lange Arbeit denke – sage ich jetzt mal. Hoppla. Sorry.

Hanna: Lass uns eine Pause machen. 

https://www.suhrkamp.de/buch/hanns-josef-ortheil-nach-allen-regeln-der-kunst-t-9783458644224

Das Sommerinterview 2 – Instagram

Hanna: Guten Morgen, setzen wir unser Interview fort! Neuerdings bewegst Du Dich auf Instagram! Das hat mich verblüfft! Lange Zeit hast Du Dich gegen das Agieren in den sozialen Medien gesträubt und Dich als bekennender Blogger bezeichnet. Was ist da passiert?

HJO: Tja, plötzlich entstand die Lust, auch ein Medium wie Instagram für eine Testphase zu nutzen. Die stärkste Anregung ging wohl von dem Buch der Tage aus, das mir eine Freundin geschenkt hatte. Darin hat Patti Smith eine Sammlung ihrer Instagram-Posts veröffentlicht. In meinem Blog habe ich dieses Buch am 21. Juni 2023 vorgestellt. Patti Smith hat ihre Posts wie Aufzeichnungen eines Tagebuches behandelt und ihnen dadurch eine literarische Note gegeben. Das gefiel mir schon damals sehr.

Hanna: Du verbindest in Deinen Posts ein selbst gemachtes Foto mit einem Kurztext.

HJO: Ja, ich verschicke Postkarten an die Leserinnen und Leser. Bilder meiner Räume und Vorlieben, die ich kurz kommentiere. Das mache ich vorläufig täglich, so dass eine Art Reise durch meine Lebenswelten entsteht.

Hanna: Was wird denn getestet? Was verstehst Du darunter?

HJO: Zunächst mal teste ich mich selber. Welches Bild oder Foto aus Deinem täglichen Bildervorrat wählst Du aus? Welches hält eine Nuance des vergangenen Tages fest? Und zweitens teste ich den Geschmack der Community: Wie beurteilen sie die Bilder, welches mögen sie, welches weniger? Das ist sehr aufschlussreich.

Hanna: Inwiefern?

 HJO: Weil sich da ein Geschmack artikuliert, der nicht mein eigener ist. Ich selbst mag zum Beispiel Bilder von manchen Speisen, die ich gegessen habe. So habe ich Fotos eines Spargel-Menüs gepostet – das kam aber nicht besonders gut an. Wenn ich dagegen einen alten Baum im Morgensonnenlicht vor dem Hintergrund einer ruhigen Grünfläche poste, steigt die Zustimmung. Das überrascht mich. Ich versuche, möglichst unterschiedliche Motive zu posten, sie sollen kein zusammenhängendes Bild ergeben, sondern wie die Aufzeichnungen des Blogs einen kunterbunten, abwechslungsreichen Charakter haben.

Hanna: Könntest Du Dir vorstellen, Deine Instagram-Posts wie Patti Smith in einem Buch zu veröffentlichen?

 HJO: Nein, das würde ich nicht tun. Ich kann mir erklären, dass und warum Patti Smith dieses schöne Projekt verwirklicht hat. Sie ist eine bekannte, verehrte und hochgeschätzte Frau, an deren Leben manche Leserinnen und Leser gerne teilnehmen wollen. Ich aber habe nicht diesen Nimbus, niemand würde interessieren, ob ich Spargel oder Kichererbsen esse.

Hanna: Mich interessiert das schon – aber nicht aus primären, sondern eher aus sekundären Gründen. Bestimmt könntest Du nämlich etwas Interessantes zum Thema Spargel oder Kichererbsen sagen. Das hat mich schon oft erstaunt: Dass Du zu vielen Motiven oder Themen etwas sagst, worauf ich nie gekommen wäre. Du packst und gehst sie anders an.

 HJO: Ich vermute, das ist eine Art französischer Reflex. Viele französischen Schriftsteller waren darin vorbildlich. Ich meine die großen Essayisten, die Motive und Themen aus einer radikalen Ich-Perspektive heraus angehen. Das kann man von Montaigne, dem ersten Essayisten, herleiten, und Roland Barthes ist der späte, unerreichte Meister dieses Wahrnehmens und Denkens.

Hanna: Haben Deine Instagram-Posts auch etwas davon?

 HJO: Nein, sie sind davon unberührt. Meine Text-Kommentare sind Kurznachrichten mit einem anekdotischen Anteil.

Hanna: Wie lange wirst Du auf Instagram posten?

 HJO: Keine Ahnung. Ich verbinde zum Glück ja nicht viel damit, es ist einfach eine sommerliche Abwechslung, ein Spiel, in das ich kaum Zeit investiere. Und es passt wirklich gut zu heißen Tagen. Das gefällt mir: Heiße Tage und posten, als würde die innere, überhitzte Flasche plop machen und für einen Moment aufspringen. Etwas Lebensgas entweicht, aber höchstens ein Hauch, eine Brise, nichts Fundamentales.

Hanna: Mir gefällt Dein Foto vom Fischrestaurant in der Stuttgarter Markthalle am besten. Man kann es lange anschauen und viel entdecken – das wären für mich Kriterien für ein gutes Bild. Aber denkst Du nicht daran, dass Du dort nicht mehr in Ruhe essen kannst, weil dort Menschen auftauchen werden, die das Foto gesehen haben?

 HJO: Aber nein. Stalkerinnen oder Stalker sind mir nicht auf den Fersen, und außerdem verwende ich in Notfällen kleine Tricks, um unerkannt zu bleiben. Außerdem: Ich bin nicht Patti Smith, wirklich nicht.

Hanna: Die kleinen Tricks kenne ich, ja, ich weiß, was Du meinst. Aber das behalten wir nun wirklich für uns. Immerhin erhältst Du seit Deinen Instagram Posts nun auch rasche und direkte Reaktionen auf Deine Fotos und Texte. Das war und ist im Fall der Blogeinträge nicht der Fall.

 HJO: Ehrlich gesagt, habe ich nie verstanden, wie man fast zweitausend Einträge zur Kenntnis nehmen kann, ohne sich auch nur einmal zu rühren. Ich habe das als Couch-Blogging verstanden. Reaktionslos, passiv – so etwas ist ein Graus.

Hanna: Du hast aber doch durchaus viele Mails erhalten. Es waren nur keine inhaltlichen Reaktionen auf Deine Einträge, sondern eher Fragmente von Lebensgeschichten der Leserinnen und Leser.

HJO: Ja, so war das. Und das ist auch etwas, natürlich, durchaus. Aber manchmal freut man sich auch einmal über ein kurzes, anerkennendes Kopfnicken. Ich denke noch immer, kaum jemand kann sich vorstellen, wie es jemand auf zweitausend Einträge bringt. Das ist kurios und einzigartig und könnte manchmal einen kurzen, zustimmenden Gruß wert sein. Oder?

Hanna: Ich grüße fast jeden Morgen zustimmend, das solltest Du nicht vergessen.

Das Sommerinterview 1 – Das Entrée

Am 28. August 2023 habe ich meine Mitarbeiterin Hanna vorgestellt, wir haben ein erstes und wenig später (am 13. September 2023) ein zweites Gespräch geführt und im Blog veröffentlicht.

Daran möchten wir anknüpfen und, der Jahreszeit folgend, ein Sommerinterview in mehreren Folgen gestalten. Darin soll es um viele Fragen gehen, die Leserinnen und Leser im Blick auf meine letzten und die geplanten nächsten Veröffentlichungen interessieren könnten. Das Ganze als eine Art Resümee, um den Stand der Dinge festzuhalten und einen Überblick zu gewinnen.

Das Sommerinterview fand und findet frühmorgens ab 9 Uhr im Garten statt, wir frühstücken zusammen und sprechen mit kleineren Pausen bis zum Mittag.

Hier das Entrée.

Hanna: Fangen wir mal nicht mit Literatur, sondern mit Sport an. Du hast Spiele der EM 2024 verfolgt, einige Wimbledon-Matches gesehen und freust Dich auf die bald beginnenden Olympischen Spiele. Was interessiert Dich am Sport?

 HJO: Die Intensität der schönen, vieles verändernden und entscheidenden Augenblicke. Das unerwartete Tor, ein Ballwechsel in einem Tennismatch, der den Spielverlauf kippt und von den Spielenden eine Neubesinnung auf ihre Taktik verlangt. Solche Augenblicke, in denen sich etwas zuspitzt und die Dinge sich drehen und wenden! Sie fordern Vermutungen darüber heraus, was in den Menschen vorgeht und an welchen Geschichten sie innerlich schreiben. Als Zuschauer bin ich wie ein Psychologe beteiligt, der Vermutungen anstellt.

Hanna: Das heißt, Du schreibst an diesen Geschichten mit? Du könntest sie aufschreiben und erzählen?

 HJO: Ich könnte versuchen, ihr Genre zu bestimmten. Das tun die jeweiligen Akteurinnen oder Akteure durch ihr Auftreten, die Gestik, den Bewegungsablauf. Im Männer-Fußball zum Beispiel gibt es die Mitläufer, die sich um jeden Preis in das Spiel der Mannschaft einreihen wollen, und es gibt die Solisten, die mehr von sich verlangen und etwas bieten wollen, und es gibt die fleißigen Arbeiter, die sehr viel laufen und die Rhythmen in Gang halten – Beschleunigung, Pause, Ausdehnung, Konzentration. Dieses Rollenspiel zu verfolgen, ist interessant.

Hanna: Es lenkt Dich ab? Du kommst auf andere Gedanken?

 HJO: Das nun gerade nicht, sondern im Gegenteil: Ich erlebe den Sport wie ein Drama oder eine Erzählung, und die stärksten Augenblicke, die ekstatischen also, sind pure Lyrik (Hymnus, Ode, Lied). Es ist übrigens gut, einiges über die Beteiligten zu wissen, Biografisches etwa – wie und wo sich diese Aktionen entwickelt haben, das gehört dazu.

Hanna: Wenn Du Sportübertragungen im Fernsehen siehst, ist das für die Mitschauenden keine reine Freude. Du haderst mit den Kommentaren, Du kommentierst selbst, Du bist nicht still, keine Minute.

 HJO: Stimmt, es ist schlimm. Ich kann die Erregung nicht drosseln oder ausbremsen. Selbst wenn das Spiel vor sich hinplätschert, rede und rede ich.

Hanna: Du machst Vorschläge, wohin der Ball gespielt werden sollte, Du berätst den Trainer, wer aus- oder eingewechselt werden sollte, Du bist selbst laufend in Aktion …

 HJO: Ja, ich rede wie der irre Autofahrer im Straßenverkehr, der ununterbrochen kommentiert, was er sieht und erlebt: Jetzt bieg endlich ab!, Warum blinkt der nicht?, Warum beschleunigt sie plötzlich so?

Hanna: Zum Glück fährst Du kaum noch Auto. Warum eigentlich nicht?

 HJO: Ich denke an zu viel anderes, ich bin im Kopf sehr beschäftigt, es ist schlicht gefährlich. Niemand fährt gern mit mir.

Hanna: Ich schon, ich sitze gern neben Dir und kommentiere die Strecke mit Hilfe des Navi: Wir überqueren gerade einen kleinen Fluss, die Drönitz, in zweihundert Metern erscheint rechts ein Gasthof, Zum dicken Bären, die bieten ein Wild-Menü mit frischen Pfifferlingen an …, so in der Art rede ich, und Du hast anscheinend eine Freude daran.

 HJO: Und wie! Ich fühle mich aufgehoben, wir gleiten durch ein Panorama der räumlichen Eindrücke – wie früher in den Übertragungen der Tour de France, als den Zuschauern die Geschichte jedes Kirchleins am Wegrand erklärt wurde. Das habe ich sehr gemocht.